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Begegnung verändert

Die Ergebnisse des jüdisch-christlichen Dialogs im Blick auf den Gebrauch und die Auslegung der heiligen Schriften untersucht das neuste Heft der Zeitschrift Bibel und Kirche. Dabei geht es sowohl um einen Überblick über das, was sich verändert hat, als auch darum, noch ungelöste Aufgaben zu benennen.

Die Anfänge des Christentums liegen im Judentum – das gehört zum Allgemeinwissen. Ab wann aber gibt es das Christentum in Abgrenzung zum Judentum? Und wer hat sich gegen wen abgegrenzt? Die Beantwortung dieser Fragen hängt, so Klaus Wengst, Professor für Neues Testament an der Ruhr-Universität Bochum, vom Verständnis jüdischer Lehrdebatten und ihrer Streitkultur ab. »Jemanden für den Messias zu halten, war und ist im Judentum kein Problem, das heftigste Auseinandersetzungen und schärfste Distanzierungen hervorrufen musste«, schreibt er in seinem Beitrag.

Dass das Judentum keine in der Zeit des Alten Testaments stehen gebliebene Religion ist, sondern eine lebendige Lehrtradition sehr gewissenhaft die Aktualisierung der Schrift betreibt, macht die Schweizer Judaistin Annette M. Boeckler vom Zürcher Institut für interreligiösen Dialog in zwei Beiträgen deutlich. Zum einen beschreibt sie die Zeit des zweiten Tempels, die bis ins Jahr 70 n.C. reicht, als eine Blütezeit der Textinterpretation. Da die ältesten rabbinischen Schriften erst um das Jahr 200 zu datieren seien, stelle somit das Neue Testament eine wichtige Quelle vorrabbinischer Auslegungsmethoden dar. Zum anderen gibt sie am Beispiel des Hochmittelalters einen Einblick in die reichhaltige jüdische Schriftauslegung.

Wie sich die Voraussetzungen für das Verstehen neutestamentlicher Texte aufgrund des jüdisch-christlichen Dialogs der vergangenen Jahrzehnte grundlegend geändert haben, wird von Christian Rutishauser SJ, Provinzial der Schweizer Jesuiten, beschrieben. Dass sich diese Veränderung aber noch nicht in allen Bereichen niedergeschlagen hat, mahnt Maria Neubrand, Professorin für Neues Testament an der Theologischen Fakultät Paderborn, an. Sie nennt Beispiele aus Lehrbüchern, Liturgie und Bibelübersetzung, in denen die antijüdische Auslegungstradition der christlichen Theologie noch aufscheint.

Auch wenn man die Gemeinsamkeiten zuerst betonen muss, ist es nach Ansicht von Günter Stemberger, Professor für Judaistik an der Universität Wien, notwendig, die Unterschiede in den Texttraditionen von Juden und Christen zu beachten. Die Einflüsse der alten Bibelübersetzungen Septuaginta und Vulgata spielten dabei ebenso eine Rolle wie die unterschiedlichen Lesetraditionen in den Gottesdiensten.

Detailliert vorgestellte Literaturhinweise zum Schwerpunktthema runden, wie bei Bibel und Kirche üblich, das Themenheft zur Schriftauslegung ab.


Bezugshinweis:
»Christliche und jüdische Schriftauslegung«, Bibel und Kirche, Heft 4/2019, 64 Seiten, € 7,90, ISBN 978 3-948219-01-7
»Bibel und Kirche« kann im Buchhandel bezogen werden oder direkt beim Katholischen Bibelwerk e.V.

Das Katholische Bibelwerk e.V. Stuttgart ist eine Mitgliedseinrichtung der Katholischen Erwachsenenbildung Diözese Rottenburg-Stuttgart e.V.

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